La Sagrada Familia in Barcelona
La Sagrada Familia in Barcelona

Iquitos - 2. Februar 2015


In der Regensaison taucht sie zwar spärlich auf, doch sobald die Sonne sich zeigt, wird es sofort unerträglich heiss. Um strömende Bäche zu schwitzen, muss man sich nicht einmal bewegen.
Heute ist es aber bedeckt und angenehm. Wir fahren mit einem Mototaxi hinaus zum Manati Rescue Center. Die Fahrt dauert eine gute halbe Stunde. Unser Fahrer steuert uns zielgenau aus dem Stadtverkehr, während uns milde Luft die Haare zerzaust. In der Auffangsstation für Süsswasser-Seekühe angekommen, schreiben wir uns für die nächste Tour ein.
Max, der junge peruanische Führer, erklärt uns genau, warum die bis zu einer halben Tonne schweren Tiere geschützt werden müssen. Es ist immer wieder dasselbe im Amazonas: Wie andere Tieren des Dschungels werden Manatis gejagt, um sie zu verspeisen oder als Haustiere zu verkaufen. Ohne Rücksicht auf die immensen Verluste.
Dem Zentrum gelingt es mittlerweile, die Jagd einzudämmen, indem es das Volk über die Missstände informiert und bildet. Viele Seekühe wurden bereits erfolgreich geheilt und ausgewildert.
Auf der Tour dürfen wir die Jungtiere streicheln und sogar füttern. Ein mitreissendes Gefühl, ihre gummige Haut zu berühren und in ihre neugierigen Augen zu blicken. Und wie erfreulich zu wissen, dass es auch hier Menschen gibt, die eine Änderung im Umgang mit Tieren bewirken wollen.
Auf dem Rückweg in die Stadt sitzen wir in einem farbigen Regional-Bus ohne Fenster und lauter Musik. Eine dunkle Sturmfront nähert sich uns rasch und bald prasseln dicke Tropfen auf den Bus runter. Schnell ahmen wir die Locals nach und schieben die in der Buswand versteckten Fenster hoch. Ein Wasserfall ergiesst sich über Iquitos.
Hoffentlich kommen wir noch nicht gleich an, sonst müssen wir zum Hostel zurück schwimmen! Bäche fliessen den Strassenrändern entlang.
Ich schaue aus dem Fenster, fasziniert von dieser Stadt mitten im Regenwald, dieser so ganz anderen Welt und wundere mich, wann wir sie wohl wieder sehen werden.


 

Lima - 4. Februar 2015


Soweit ist es ein gelungener Tag. Wir haben den Artesanenmarkt gefunden und letzte Geschenke für Zuhause gekauft. Die übriggebliebenen Soles haben wir auch bereits gegen Euros eingetauscht. Jetzt müssen wir bloss morgen in der Früh ein Taxi zum Flughafen erwischen.
Gar nicht so einfach, müssen wir feststellen. Die offiziellen Taxis in der Altstadt sind zwar billig, haben jedoch keine Erlaubnis zum Flughafen zu fahren. Wir fragen eines nach dem anderen, aber keines will uns mitnehmen.
Mist! Jetzt müssen wir ein offizielles bestellen, das doppelt so teuer ist. Das wird ernstlich knapp mit den wenigen Soles, die wir noch haben.
Nun gut, verzichten wir eben auf ein letztes, gutes Abendessen. Doch kein Cui.
Ich schlafe schlecht, hoffe unentwegt, dass unser Taxi rechtzeitig vor der Tür stehen wird.
Um sechs Uhr stehen wir mit Sack und Pack vor dem Hotel auf der noch leeren Strasse. Das erste Auto, das sich uns nähert, ist ein Taxi.
„Aeropuerto? Klar, steigt ein.“
Er nennt uns seinen Spottpreis. Wir zögern nur kurz – das ist nicht unser Taxi, kann man dem trauen? – und steigen ein. Kurz darauf kommen wir am Flughafen an; viel zu früh.
Und wozu haben wir uns gestern und die ganze Nacht all die Sorgen gemacht? Manchmal sollte man einfach weniger fragen, dafür mehr vertrauen. Wie leicht ich das vergessen kann.


 

Bogotá - 5. Februar 2015


Wir haben ungefähr sechs Stunden. Nach der Landung eilen wir auf den Bus in die Stadt, wo wir Mauricio einen letzten Besuch vor unserer Abreise aus Südamerika abstatten möchten.
Er freut sich riesig, uns nochmals zu sehen, obwohl er sehr mit seiner Arbeit beschäftigt ist und mehreren Skype-Konferenzen beiwohnen muss. Hin und wieder klickt er sich aus und wir können ein wenig plaudern.
Dann ruft auch schon Nat an. Kaum zu glauben: unser australischer Landnachbar aus Palomino ist gerade erst heute Morgen von der Küste in Bogotá angekommen, was uns die Chance gibt, mit ihm etwas trinken zu gehen.
Es ist nur ein kurzer Stop-over auf unserem Weg von Lima nach Barcelona. Dennoch nützen wir ihn bis in die letzte Minute aus.
Gerade noch hat uns Nat mit Nachrichten aus Palomino auf den neusten Stand gebracht und Mauricio seine und Vivis Absichten, bald ein Jahr nach Paris zu fahren, mitgeteilt und schon sitzen wir wieder im Flugzeug. Zehneinhalb Stunden nach Barcelona.

 


Barcelona - 11. Februar 2015


Wir stehen zwischen Menschen aus aller Welt vor dem Eingang der eigenartigsten Kathedrale, die mir je zu Gesicht gekommen ist.
Wie fast alle hier tragen wir Kopfhörer und konzentrieren uns auf die Stimme auf Band, die uns von einer zur nächsten Stelle führt.
Mit offenem Mund betreten wir die Sagrada Familia, Barcelonas Wahrzeichen. Die Sonne schickt ihre Strahlen durch die bunten Kirchenfenster. Das Spiel der Farben im Innern ist bezaubernd. Auf der einen Seite brennt es in Rottönen wie Feuer, auf der anderen hört man beinahe das blaue Wasser rauschen.
Das Farbenmeer umschliesst gewaltige Säulen, die weit in die Höhe ragen, so gemeisselt, dass sie riesigen Bäumen gleichen. Man wähnt sich in einem abstrakten Wald. Alle Formen und Strukturen wurden aus der Natur entnommen.
Aus Lautsprechern ertönt sanfter Kirchengesang. Gebannt stehe ich im mächtigen Hauptschiff der Kathedrale und versuche, alle Eindrücke in mich aufzunehmen: Farben, Klang, Formen und Strukturen vereinigen sich zu einem einzigen Ganzen; einem Gefühl, das meinen Körper zum Vibrieren bringt. Die Haare stehen mir zu Berge. Was für ein Meisterwerk!
Damit hat sich ein Mensch auf ganz aussergewöhnliche Weise verewigt. Ein Werk, das weit aus der Vergangenheit bis hinein in unsere moderne Zeit reicht.
Kaum zu fassen, dass Gaudi seine Kathedrale vor über 125 Jahre zu bauen begann und sie noch immer nicht fertiggestellt ist.
Wäre es nicht interessant, Barcelona zu jener Zeit zu besuchen? So viel Geschichte. Ich hab’s: Ich wünsche mir eine Zeitreise auf den nächsten Geburtstag!

 


Paris - 16. Februar 2015


Am Gare de Lyon sichern wir die Billete für unsere letzte Reise – zurück in die Schweiz – und spazieren danach los.
Die kalte Pariser Luft weht mir ins Gesicht; ich fröstle. Schliesslich stehen wir vor dem Eingang zu einem der wohl touristischsten Friedhöfen der Erde: Père Lachaise. Seit den 70er Jahren besuchen Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern Jim Morrisons Grab.
Zu meinem Erstaunen stehen wir fast alleine davor, als wir es im unentwirrbaren Labyrinth aus Wegen und Gräbern endlich finden. Wir nehmen uns einen Moment und blicken auf das einfache Grab, das ein Foto und ein paar verwelkte Blumen schmücken. Davor steht eine Schranke, um die Besucher auf Distanz zu halten. Zu viele schon erlaubten sich, ein Stück des Grabsteins als Souvenir mit nach Hause zu nehmen.
Aber der Père Lachaise ist auch ohne den Doors-Frontmann ein Besuch wert. Ohne Ziel, ohne Hast spazieren wir weiter, biegen mal links in einen schmalen Pfad ein, steigen dann rechts eine steinerne, alte Treppe hoch. Manchmal entlang an gewaltigen Mausoleen von alten, wohlhabenden Familien, manchmal vorbei an von Moos überwachsenen, halb eingefallen Gräbern.
Wir lesen viele jüdische Namen, daneben der Davidsstern, französische, doch auch deutsche, englische und einige chinesische.
Der Friedhof ist eine Stadt aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt.
Zurück im diesseitigen Paris bläst eine frische Brise. Im Gegensatz zum sonnigen Barcelona ist hier der Winter durchaus spürbar.
Entlang an langen Avenues, durch enge Gassen, vorbei an dutzenden Cafés und Läden bahnen wir uns einen Weg quer durch die Stadt. Wir passieren la Place de la République, wo noch immer Blumen und Gedenksprüche die Statue auf dem Platz schmücken und an die Opfer des Attentats auf Charlie erinnern. „Nous sommes Charlie“, lautet die Pariser Solidarität.
Ein paar Stunden später erreichen wir le Palais de Tokyo. Es ist bereits dunkel geworden. Auf der gegenüberliegenden Seite der Seine leuchtet der Eiffelturm in den Himmel.
Hier treffen wir uns mit Serainas Onkel Hugo, bei dem wir uns für eine Woche einquartiert haben. Er ist Künstler und lädt uns zu einer Vernissage ein. Der Titel der Ausstellung mutet an: „Am Rande der Welten.“
Im Palais de Tokyo finden französische wie auch internationale Künstler eine Plattform, um ihre Werke einem breiten Publikum vorzustellen. Was mich betrifft, verlangt mir Kunst meistens zu viel ab. Vielleicht verstehe ich sie einfach nicht.
Doch dann gibt es hin und wieder Momente, in denen mich Menschen schlicht faszinieren. Das eine ist, eine Idee zu haben. Sie zu sehen, zu formen. Eine ganz andere Sache, sie auf so geniale, persönliche Weise umzusetzen.
Heisst es nicht, dass jeder von uns ein Künstler ist? Oder sein kann, wenn er/sie sich auf seine/ihre Kreativität einlässt?
Mehr noch als die Kunstwerke auf dieser Vernissage wundere ich mich über die anwesenden Gäste und Künstler. Zwischendurch stechen zwar Leute heraus, die wie stereotypische Maler (Beret, Ziegenbart, langer Mantel, Künstler-Ausstrahlung) oder wie eine sich alles leisten könnende Gräfin wirken.
Die meisten aber sind junge Leute, oder jung gebliebene, die ganz alltäglich aussehen. Vielleicht sind viele davon Studenten und Kunst Interessierte. Sicher befinden sich darunter auch Künstler mit unterschiedlichen Bekanntheitsgraden. Trotzdem heben sich die einen nicht von den andern ab.
So oft habe ich mich schon über die Menschheit gefragt und beklagt, wie sie sich und ihren Planeten behandelt; so, dass es nur zu einem Ende führen kann.
Wenn ich es aber recht bedenke, geben mir findige Köpfe, kreatives Denken, inspirierte Geister grössere Rätsel auf.
Rätsel jedoch, die zu lösen ich mich nicht gezwungen fühle. Viel mehr möchte ich das Bild, die Skulptur, den Text oder einfach nur den Schaffer des Werks bewundern und mich inspirieren lassen. In der Hoffnung, dass ein kleiner Funken Schöpferkraft auf mich überspringt.