28. Februar 2017 - Kolumbien

Zeit für Ferien

Es ist nun fast drei Monate her, seit wir mit der Organisation und dem Bau des Hauses begonnen haben. Unsere Bleibefrist läuft aus und wir sind zudem absolut reif für Ferien. Jeden Tag von morgens bis abends auf der Matte zu stehen ist hart, auch wenn es hier wie im Paradies ist, wo einem die Früchte in den Mund fallen, oder wie man hier sagt: Wir leben an der Zitze von Mutter Erde. Auch Samstags wird hier gearbeitet, zumindest bis zwei Uhr nachmittags. Danach fällt für uns meistens noch genügend zu organisieren an, damit am Montag ohne Unterbruch weitergearbeitet werden kann. Den Sonntag versuchen wir uns, falls irgendwie möglich, als freien Tag zu reservieren. Wir tun dann, was wir schon längst hätten tun sollen: Das schöne Palomino und die Umgebung, den dschungeligen Wald der Sierra Nevada sowie die breiten Flüsse zu erkunden. Doch trotzdem: Die Zeit ist reif für Ferien!

Nach langem Überlegen und Flugpreise vergleichen, kamen wir auf die Idee, von El Salvador mit dem Bus nach Guatemala zu fahren. El Salvador kennen wir noch überhaupt nicht und Guatemala haben wir vor etwa sechs Jahren besucht und es blieb uns in sehr guter Erinnerung. El Salvador ist das Nachbarland von Guatemala und zudem das zurzeit günstigste Flugangebot. Mit dem Bus sind es dann nur noch ca 5 Stunden bis Guatemala.

Die Reise ist gebucht und wir ziehen los. Doch wir haben es nicht eilig. Einen Monat soll das Ganze dauern. Bevor wir in der von Palomino zwei Stunden entfernten Stadt Santa Marta den Flug nehmen, besuchen wir Minca. Das naturumgebene Dorf liegt 600 Meter über Santa Marta. Der Wald um Minca ist voller Pflanzen und Tieren, hauptsächlich Vögeln, aller Art. Man kann sich dort kaum sattlaufen.

Taganga ist der nächste Ort den wir besuchen, gleich bei Santa Marta am Meer. Das pure Gegenteil. Der kleine Fischerort, heute sehr touristisch und neben dem Tayrona-Park der meistbekannte Ort, ist heiss, kahl und absolut wasserlos. Eine Wüstengegend, wo nur Kakteen und dürre Bäume wachsen. Der Wind fegt einem beim Essen den Fisch von der Gabel, doch ist man ihm dennoch dankbar für die Abkühlung. Wir besuchen unseren alten Freund Miguel, geniessen einen schönen Sonnenuntergang und ziehen weiter nach Santa Marta.

Von Santa Marta fliegen wir nach Bogota, wo wir eine Nacht verbringen, um am nächsten Tag nach San Salvador zu fliegen. Ohne unsere Freunde Mauricio und Vivi ist Bogota nicht sehr spektakulär. Die Luft ist frisch, dennoch nicht so kalt wie wir sie in Erinnerung hatten. Die teuren Hochhäuser, Geschäfte, die sauberen Strassen, sowie die Fastfood-Ketten erinnern an Europa oder die USA. Was mir persönlich in Bogota gefällt, sind die zahlreichen Wände voller Grafitti der feinsten Art sowie der süsse Duft der Rebellion, der die Stadt mit den doch so vielen Universitäten mit sich bringt.



3. März 2017

Wir fliegen nach El Salvador, mit Avianca - statistisch gesehen eine der gefährlichsten Airlines der Welt, für unseren Geschmack jedoch um etliches besser als andere Gesellschaften. Angekommen in San Salvador, Hauptstadt von El Salvador, haben wir zunächst absolut keinen Plan, wohin wir gehen sollen. Die eine Möglichkeit ist, gleich weiterzufahren zu dem etwas touristischeren Ort Santa Ana, oder eine Nacht in San Salvador zu bleiben. Wir haben jedoch keine Ahnung in welchem Stadtteil dieser Riesenstadt sich die Hotels befinden. Entscheiden können wir uns immer noch, zuerst müssen wir ohnehin vom Flughafen ins Stadtzentrum fahren. Wir haben uns informiert und wissen, dass anstelle der überteuerten Taxis auch ein Mikrobus in die Stadt fährt. Vom Flughafen wegmarschierend, müssen wir alle paar Meter wieder nach dem Weg fragen. Doch da kommt uns der Bus schon entgegen. Wir winken, er hält an und wir schnappen uns den letzen Hohlraum in dem von Körpern überfüllten Bus. Die Fahrt geht los. Es ist heiss, wir riechen nach mangelnder Körperpflege. Die Leute sind ungewohnt freundlich. Wir fühlen uns vom ersten Moment an willkommen und wohl. Die Natur, die an uns vorbeizieht, ist voller hügeligen Wäldern; soweit das Auge reicht. Ein Platz wird frei und da dies wohl ein Land der Gentlemen ist, wird mir auch gleich den Sitz angeboten. Ich setze mich und bin glücklich.


Ein junger Salvadoraner, der mir bereits aufgefallen ist, da er voller Interesse stets ein Stück näher zu uns gerückt ist, uns jedoch wohl aus Schüchternheit noch nicht angesprochen hat, beginnt nun ein Gespräch mit Simon. Er wohnt im Zentrum von San Salvador und weiss, wo wir günstige Hotels finden können. Als wir mit dem Bus im Terminal ankommen, führt uns Alexander durch die Stadt. Er ist zurückhaltend und sehr um unser Wohl besorgt. Die Mafia sei sehr stark hier. Jeder mit etwas Besitz sowie alle Geschäfte müssen einen Teil ihres Geldes an die im Quartier herrschende Bande abgeben. Zudem gäbe es auch oft Kriege zwischen den Banden. Er fürchtet, dass auch wir Opfer werden könnten. Wir fühlen uns so sicher wie in jeder anderen Stadt. Jedoch gefällt uns die Art und Weise, wie er uns seine Stadt zeigt: den Markt, die einheimischen Speisen und er hilft uns auch ein günstiges Hotel zu finden.

Am Fluss Sapo
Am Fluss Sapo

Wir sitzen zusammen im grossräumigen Hotelzimmer, essen Bananen und plaudern. Alex fragt uns, ob wir Lust hätten, seine Tante und ihre Familie zu besuchen. "Sonst glaubts mir ja keiner, dass ich Schweizer kennengelernt habe.", fügt er lachend hinzu. Die Tante wohnt im Südosten von El Salvador an der Grenze zu Honduras. Er zeigt uns Bilder von der weitläufigen Landschaft und vom Fluss Sapo. Es sieht schön aus. Eine solche Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen und wir sagen zu. Sogleich ruft er seine Tante an und erzählt ihr, dass er zwei Schweizer kennengelernt habe und sie nun gerne zu ihr einladen wolle. "Du machst Witze!", meint die Tante ungläubig. Wir haben ihre Zustimmung. Am nächten Morgen früh soll die Reise losgehen.

Der Flug von Santa Marta nach Bogota liess uns nur ein Handgepäck mitbringen. Unser kleines Gepäck ist angenehm zu tragen und schnell bereit für die Reise. Um halb acht früh steht Alex vor der Tür. Wir nehmen den Bus nach San Miguel und von dort nach Corintho. Angekommen nach vierstündigem Busfahren, machen wir eine Pause, besuchen spontan eine antike Höhle und essen feine Tacos mit Soyafleisch. Schliesslich fahren wir mit einem Mototaxi über die letzten paar Hügel hinaus aufs Land. Hier ist Endstation. Zu Fuss gehen wir weiter über Stock und Stein und nach einer Stunde erreichen wir das Haus der Tante. Sie kommt uns entgegen, begrüsst uns herzlich. Wir setzen uns und ruhen die müden Füsse aus.

Verfeinern und befeuchten des Maisteigs
Verfeinern und befeuchten des Maisteigs

Vor dem Lehmhaus wimmelt es von Bibeli und Hühnern. Im Schlafraum vergnügen sich die beiden Jüngsten der Familie in der Hängematte sitzend, spielend und über die Gaukeleien von Tom & Jerry lachend. In der Küche brennt ein grosses Feuer, gut mit Holz gefüttert von der ältesten Tochter. Auf dem Tisch steht eine Schüssel voll eingeweichter Maiskörnern neben dem Fleischwolf. Sie werden mit diesem zu einem groben Brei zerdrückt, um danach auf einer Steinplatte mit einem "Wallstein" zu einem feinen Maisteig gemahlen zu werden. Tortillas werden geformt und auf in die Pfanne über dem Feuer gebacken. 

 

Schon bald kommen auch die Männer von der Feldarbeit zurück, der Vater der Kinder, sowie Onkel und Grossvater und die beiden älteren Söhne. Als der jüngere, etwa 8-jährige, der beiden Letzteren uns sieht, macht er grosse Augen, weicht zurück und schlüpft flink wie eine Katze hinter den nächsten Sichtschutz. In der nächsten Stunde treffe ich immer wieder auf seinen starrenden Blick, wenn ich per Zufall in seine Richtung sehe, und jedesmal schiebt er sich von mir bemerkt langsam zurück hinter die Wand, wo man ihn nicht mehr sehen kann. Die Tante erzählt uns lachend, dass wir die allerersten Ausländer in ihrem Hause seien, seit sie hier geboren wurde. Auch in der Gegend kommen Touristen nur selten vor, so war als Letztes vor rund 15 Jahren ein Spanier in der Gegend gewesen, um ihnen mittels seiner Organisation zu helfen. Der Staat vergesse diese Gegend oftmals, sie seien froh um die Hilfe der NGOs. So erhielten sie vor rund 4 Jahren einen Stromanschluss, teilweise auch Solarpanels und eine erste und einzige Strasse nach Corintho wurde gebaut. Alles, was hier auf den Tisch kommt, wird selbst angepflanzt. Fleisch gibt es daher nur selten, und wenn, dann ist es hauptsächlich Hühnerfleisch. Zwei Kühe geben der Familie Milch und selbstgemachten Käse. Um etwas Geld zu verdienen, webt die Tante Hängematten. Viel gibt dies jedoch nicht.

Auf dem grössten Stein der Welt
Auf dem grössten Stein der Welt

Sie erzählen uns vieles, und wollen selber noch viel mehr wissen. Die Stimmung ist locker und es wird viel gelacht. Die Kleinsten kennen keine Scheue und erklären mir alle Ihre Spielzeuge. Sie haben einen ganzen Eimer voll davon. Auch der 8-jährige hat sich mittlerweile etwas an uns gewöhnt. Schon bald gehen wir schlafen, alle im selben Raum, jeder in seiner Hängematte.

Der nächste Tag erwacht und mit ihm auch wir. Erfrischt und neugierig ziehen wir los in Richtung Fluss. Auf dem Weg kommen wir vorbei am Haus des Onkels und seiner Familie sowie das der Grosseltern. Bei beiden machen wir ausführliche Zwischenhalte und werden anschliessend auch gleich zum Fluss begleitet. Sie zeigen uns die Fruchtbäume, lassen uns Zuckerrohr-Stangen schlecken und erklären uns, wie man Mais und Bohnen haltbar macht.

 

 

Wir geniessen die Zeit, die wir bei der Familie verbringen dürfen, und sind Alex überaus dankbar, dass er uns nach so kurzer Zeit des Kennens bereits hierhin eingeladen hat. 

Vor nur drei Tagen sind wir in El Salvador angekommen, und schon haben wir so vieles von diesem Land gesehen und erfahren.

 

 

 

 

Auf dem Rückweg zur Bushaltestelle haben wir zudem das Glück, bei der Produktion von Panela aus Rohrzucker-Saft zuzuschauen. (Mehr dazu in den Fotos.)