Philo - Okt 2016

 

Die Reise kann beginnen. Ungefähr drei Stunden brauchen wir für die Fahrt von Ben zu Geoff. Es fühlt sich an wie ein Nachhausekommen. Immerhin haben wir bisher schon ziemlich viel Zeit im Anderson Valley verbracht (wer mehr über das Anderson Valley wissen will, darf hier klicken). Wir kennen so einige Bewohner des Tals, seine kleinen Dörfer und die Redwood-Wälder.

In Geoffs kleinem Bungalow draussen im Wald hat sich wenig geändert. Geoff heisst uns herzlich willkommen und wir schliessen nahtlos dort an, wo wir vor zwei Jahren aufgehört haben. Wir lassen den Korken knallen und feiern meinen Geburtstag und unsere Wiedervereinigung mit einem feinen Barbecue, dem eine typisch amerikanische Nachspeise folgt: S'mores (Some mores), geschmolzene Marshmellows gedeckt mit Schokolade und Crackern. Also Zucker auf Zucker mit Zucker. Man kann es sich vorstellen, ziemlich süss.

Aber wir wollen nicht lange verweilen. Unser Van soll zeigen, was er kann.

Die folgenden Wochen cruisen wir durch Nordkalifornien, bergauf und bergab, an die Küste und wieder zurück ins hügelige Hinterland. Leider haben wir mit dem Wetter nicht immer Glück. Und über tausend Meter über Meer wird es auch hier im Oktober empfindlich kalt.

Unser amerikanisches Auto mit V8 Motor hält, was es verspricht. Keine Strasse ist zu steil, keine Strecke zu weit. Waldstrassen und löchrige Kieswege sind überhaupt kein Problem. Dafür säuft es auch gallonenweise. Ökologisch schwachsinnig, ökonomisch aber zahlbar. Zumindest hier in Amerika, wo der Liter Benzin halb so viel kostet, wie in der Schweiz.

Auch das Bett ist gross und komfortabel. Wir schlafen meist ziemlich gut. Aber wie schon erwähnt, nachts kann es saukalt werden. Eine Decke mehr wäre nicht schlecht. Trotz Kleider, Kappen und Wollsocken frieren wir uns in den höheren Lagen immer wieder den Ar*** ab.

Die Landschaften und die Natur sind jedoch ein Traum. Auf dem Weg ins Lava Bed National Monument an der Grenze zu Oregon rennt Seraina sogar ein Bär vors Auto - von der Grösse her vermute ich, ist es ein Schwarzbär. Gut, reagiert sie schnell und bremst, bevor wir ihn aufladen. Erschrocken verzieht sich der Kleine im Gebüsch.

Im Lava Bed dürfen wir durch meilenweite Höhlen kriechen, die von Lava zurückgelassen wurden. Meistens ist es stockdunkel. Mir ist es nicht so geheuer, vor allem wenn eine Aula grosse Höhle zu einem kleinen Spalt im Fels wird. Glücklicherweise finden wir immer wieder hinaus.

Abends campen wir entweder auf offiziellen Zeltplätzen, die entweder privat sind oder zu einem National Park/Forest/Monument gehören, oder finden irgendwo im Wald ein kostenloses Plätzchen.

Der Lassen National Park im Nordosten Kaliforniens ist zauberhauft. Die Ähnlichkeiten mit der Schweiz fallen natürlich sofort auf: Schneeberge mit Seen und Tannenwälder im Vordergrund, Wasserfälle, unzählige Wandermöglichkeiten. Wie mit allem in den USA sind die Dimensionen einfach ganz anders. Die Weite, in die wir hier jeden Tag blicken, ist einfach unvergleichbar.

 

Zurück bei Geoff und unseren anderen Freunden ist es Zeit für Halloween. Das heisst Kürbisse schnitzen, verkleiden und feiern. Endlich können wir auch unser aus der Schweiz mitgebrachtes Fondue unter die Leute bringen. Obwohl Amerikaner wenig Brot essen (weil nicht glutenfrei und gutes Brot einfach nicht vorhanden ist), wird das Käse-Fondue von lauten Jauchzern und Hurra-Rufen begleitet! Sicherlich geniesst auch der dazu servierte Glühwein seinen Anteil an der allgemeinen Begeisterung.

 

Entschuldigung, aber es muss jetzt doch noch sein. Ein Wort zu den Wahlen. Wie ich im zweijahrealten Text über das Anderson Valley schon erwähnt habe: Die Welt könnte untergehen und hier würde das niemand merken.

So nimmt das Leben auch nach dem Wahldienstag seinen gewöhnlichen Lauf. Trotzdem kann auch hier nicht jeder seine laue Stimmung verbergen. Vor allem jedoch höre ich von Ben aus Oakland von der allgegenwärtigen Ohnmacht vieler Bürger, die nicht wissen, wie ihnen geschieht. Die unheimliche Stille in der U-Bahn, die gesenkten Blicke der Menschen auf der Strasse, die Demos in vielen Städten.

Was auf eine Weise unterhaltsam anfing, hat nun letzte Woche einen Höhepunkt erreicht. Geoff entschuldigt sich sogar bei uns! Ich kann mich erinnern, wie er uns vor drei Wochen versicherte, dass wir nicht zu befürchten hätten, dass Trump gewählt würde, nachdem wie er über Frauen gesprochen hatte. Tja, er war nicht der Einzige, der diesem Irrtum verfiel.

Ich kann mir zweierlei vorstellen: Entweder es geschieht, was viele befürchten und der neue Präsident muss von seinen Mitbürgern in die Schranken verwiesen werden. Oder aber er verhält sich ganz anders als erwartet und erweist sich als korrekter und fortschrittlicher Anführer, der viel Positives bewirken kann.

Ich will nicht tiefer darauf eingehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Zukunft wird uns zeigen, was mit unserer Welt geschieht.

Mich nimmt wunder, welche Meinung ihr habt. Wer sie mitteilen will, darf sie ins Gästebuch schreiben (Kurzfassung) oder auch e-mailen.

Ich muss los, das Abendessen ruft. Es gibt Bär-Eintopf.