Flucht nach Bogotá - 13. Oktober 13

Am Sonntagmorgen flüchten wir. Raus aus dem Regenwald, rein in den nächsten Bus nach Bogotá, die Hauptstadt mit acht Millionen Einwohnern. Vom Tal des Río Claro auf etwa 500m.ü.M. steigt die Strasse bis auf 2600m.ü.M. an. Nach mehr als acht Stunden Busfahrt (statt den fünf, die vorausgesagt wurden) sind wir froh, endlich am Ziel zu sein.
Ganze acht Jahre sind vergangen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Mauricio war damals für ein halbes Jahr als Praktikant in der Schweiz, als wir uns kennenlernten.
Wir klingeln an seiner Wohnungstür in einem der vielen Apartmentblocks im Quartier das - wie könnte es anders sein - „Bella Suiza“ heisst. Mauricio empfängt uns mit einer dicken Umarmung und stellt uns sein Frau Vivi und ihren Hund Mara vor. Eine halbe Ewigkeit haben wir uns nicht mehr gesprochen, wir haben vieles nachzuholen. Natürlich kommen alte Geschichten der gemeinsamen Zeit von Buchs bis Pontresina nicht zu kurz.
In den kommenden zwei Wochen lernen wir Mauricios und Vivis Freunde und Familie kennen. Wie auch Bogotá. Die gewaltige Stadt hat vieles zu bieten. Grosse Parkanlagen, Museen, Universitäten, Menschen, Verkehr.
Vivi nimmt uns ins Nationalmuseum mit, wo sie arbeitet und wir mehr über Geschichte und Kultur Kolumbiens erfahren. Im Smaragdmuseum lernen wir einen wunderbaren, sündhaft teuren Edelstein besser kennen. Im Goldmuseum… Waren wir nocht nicht.
Vor allem aber fasziniert mich, wie in dieser Stadt verteufelt arm und unerhört reich so nah nebeneinander existieren können. Die Lücke zwischen beiden scheint mir enorm. Dennoch sieht man öfters einen der in Scharen durch die Strassen eilenden Businessmen in Krawatte und Anzug einem Bettler ohne Beine oder jonglierenden und feuerspuckenden Strassenkünstlern etwas zustecken.
Die Regierung versucht ebenfalls ihren Teil zum Abbau der zwischenmenschlichen Brücke beizusteuern, indem sie zum Beispiel mittellosen Menschen Strassenkioske ausleiht statt zu vermieten und auf diese Weise offizielle Arbeitsstellen schafft. Oder sie fordert von jenen Bewohnern der reicheren Vierteln höhere Mieten - das heisst, die Wohnungen sind teurer als sie wert sind - um die ärmere Bevölkerungsschicht zu entlasten. Trotzdem ist das Land von sozialer Gerechtigkeit, geschweige denn Stabiliät, noch meilenweit entfernt.

Während Mauricio und Vivi arbeiten, flanieren wir gerne mit Mara, ihrem Hund, im Park, wo ich mich sofort nach Australien versetzt fühle, sobald eine luftige Brise von einem der Eukalyptusbäume zu uns herüberschwebt.
Marita hatte sich schnell an uns gewöhnt und freut sich jedesmal wie ein kleines Kind, wenn es vor die Tür geht. Wir ergänzen uns prächtig. Wir nehmen sie auf unsere Spaziergänge mit und sie führt uns durch ihr Stadtviertel.
Nach einem belebenden Samstagmorgen-Yoga freuen Seraina und ich uns, die stickige Stadt immerhin für ein Wochenende zu verlassen. Freunde von Mauricio besitzen eine Finca (Farm) eine Fahrtstunde von Bogotá entfernt. Dort angekommen können wir uns den Lärm und den Smog der Grossstadt kaum noch vorstellen. 
Was für eine Wonne, in der frischen Höhenluft durch den Wald zu wandern, im kleinen „Chalet“ mit einer heissen Schokolade am Kamin zu sitzen und die Zeit mit Spielen und Essen zu verbringen.

Wir werden bald weiterziehen. Mauricio und Vivi statten uns mit wertvollen Tipps und Beziehungen für die Reise Richtung Norden zur Küste aus. Die beiden machen uns richtiggehend gierig nach mehr Kolumbien.
Wie der neue Slogan des Landes schon wirbt: „Das einzig Gefährliche an Kolumbien ist, dass man bleiben will."